Die Bibliothek von Nag Hammadi.
Einige Probleme des Christentums in Ägypten während der ersten Jahrhunderte

Khosroyev A.L.



Vorbemerkung

Die im Jahre 1945 in Oberägypten (im modernen Gebiet Nag Hammadi) zufällig entdeckte Sammlung koptischer Bücher (vermutlich 12 Codices und 8 Blätter von einem dreizehnten) hat die Forscher vor eine große Menge von Problemen gestellt. Die wissenschaftliche Arbeit ist vor allem auf die Rekonstruktion des Milieus konzentriert worden, das die griechischen Originale dieser verschiedenen religiösen Strömungen der ersten Jahrhunderte angehörenden Texte hervorgebracht hat. Eine andere Richtung der Forschung, die zwar nicht mit einer solchen Quantität der Untersuchungen prahlen kann, hat die Aufmerksamkeit auf das koptische Milieu gelenkt. Obwohl die folgenden Fragen allseitig untersucht worden sind: 1. Technische Charakteristika der Bücher, 2. Sprache der Texte, 3. Vermutliche Besitzer der Buchsammlung, ist das Problem des Ursprunges der Nag-Hammadi-Sammlung noch weit entfernt von einer Lösung geblieben.

Im folgenden möchte ich mit Hilfe der Analyse einiger technischer Charakteristika der Handschriften diese Frage noch einmal untersuchen, und wenn meine Bemerkungen manchmal recht polemisch anmuten, liegt der Grund nicht darin, daß ich die Forscher unterschätze, mit denen ich nicht einverstanden bin – im Gegenteil, ich erkenne ihre Verdienste voll und ganz an, ohne welche diese Arbeit nie geschrieben worden wäre, – sondern der Grund liegt darin, daß eine in den letzten Jahren offensichtlich gewordene Stagnation in den Untersuchungen der Nag-Hammadi-Texte anschaulich zeigt, wie einige ursprünglich als Hypothesen aufgestellte Vermutungen sich beinahe in Dogmen verwandelt haben. Diese Arbeit ist nicht mehr als ein bescheidener Versuch, diesen Stillstand zu unterbrechen, und vielleicht, wenn es nicht zu gewagt erscheint, neue Forschungen zu stimulieren.